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PRESSESTIMMEN ZU „KLAUS IST TOT“
Existentielles Pathos und schiere Lächerlichkeit liegen oft nah bei einander. Die Choreographin Hanna Hegenscheidt hat dafür ein gutes Auge. Zuletzt pulte sie in einem von beiden Partnern frontal an das Publikum adressierten Beziehungsdialog die schönen, schnöden, putzigen und bösen Aspekte einer alltäglich gelebten Liebe hervor. Jetzt geht es ans Sterben. Mit Martin Clausen, Anna-Luise Recke, Run Shayo und ihren bewährten Performern Christopher Daftsios und Angharad Davies reflektiert Hegenscheidt den Umgang der Lebenden mit dem Tod und den Toten, immer auf der Grenze zwischen Schluchzen und Schmunzeln.
zitty Berlin, Nr. 15/2006
Gerade und leichten Herzens singt Anna-Luise Recke in den Sophiensælen ein von Mendelssohn Bartholdy vertontes Heine-Gedicht aus dem Buch der Lieder. ... In diesem Moment, in dem sich Lebenslust und Todessehnsucht identisch in Wort und Weise ausdrücken, erreicht der Abend, den Hanna Hegenscheidt zusammen mit einem fünfköpfigen, internationalen Ensemble inszeniert und choreographiert hat, vielleicht seinen Höhepunkt. Gut eine Stunde lang wird auf der Bühne spielerisch improvisierend nach Trauerritualen und Umgangsformen mit dem Sensemann geforscht. ... Man knabbert und popelt aneinander herum, wohl in der Absicht einander möglichst vollständig habhaft zu werden - denn man will ja nichts voneinander verpasst und alles miteinander erledigt haben, bevor man irgendwann für immer und ewig auseinander geht.
Berliner Zeitung, 04.08.2006
Bei der Choreografin Hanna Hegenscheidt hat Klaus uns fünf Menschen in einem Zustand eifriger Orientierungslosigkeit hinterlassen. Konzentriert, angespannt und ziellos stromern sie über die leere Bühne ... Nur ja nicht zur Ruhe kommen, scheint ihr fester Entschluss zu sein. Die Lücke füllen, sich beschäftigen und dafür sorgen, dass alles wieder Sinn macht. Trotzdem. Irgendwie. Und dann, ganz plötzlich, lässt Hanna Hegenscheidts Inszenierung diese lebhafte Geschäftigkeit zusammenbrechen. ... Minutenlang stehen die Fünf nur da, rollen die Schultern, reiben sich die Fingerknöchel, gucken einfach in die Luft. Man denkt an nicht gefundene Beileidsworte und gestelzte Kondolenzkarten. Und dann, wenn es beinah nicht mehr auszuhalten ist, stimmen sie aus dem Nichts ein Liebeslied im Glockenhellen Choralsatz an. Es geht weiter. Trotzdem. Irgendwie. Das Stück „Klaus ist tot“ lebt von solchen Momenten, in denen Trauer und Lächerlichkeit, Trost und Pathos sehr waghalsig miteinander verschmolzen werden. Das Bewegende an Hanna Hegenscheidts Inszenierung ist aber, wie sie die Verlusterlebnisse nicht illustriert, sondern sie choreografisch erzeugt. Das gelingt ihr über weite Strecken überaus eindrucksvoll.
Berliner Morgenpost, 04.08.2006
Die Choreografin Hanna Hegenscheidt, in Berlin und New York zu Hause, reflektiert Sterben, Tod und Trauerrituale in ihrem ersten abendfüllenden Stück „Klaus ist tot“ in den Sophiensælen überraschend unbeschwert. Naheliegendes Pathos hat sie auf ein Mindestmaß reduziert, indem sie immer wieder Probensituationen schafft, die dem Thema eine verspielte Leichtigkeit verleihen. ... Wie schon in ihren kürzeren Stücken vertraut Hanna Hegenscheidt nicht allein auf die Wirkung des Tanzes, sondern greift auch auf andere Mittel, Lieder und Dialoge zurück, die je nachdem berühren, zum Schmunzeln oder Nachdenken bringen. Kommuniziert wird eigentlich ständig, miteinander und gegeneinander, alles verkomplizierend, lobend und attackierend, sprachlich, pantomimisch, tänzerisch. Wenn dann plötzlich alle Tänzer gleichzeitig zur Ruhe kommen, wirkt das Schweigen umso elementarer: als Ausdruck von Unbehaglichkeit im Umgang mit dem Sterben oder in Form aufrichtiger Trauer. Die ständige Kommunikation wird dadurch als hilfloser Versuch, mit dem Unerträglichen klarzukommen, gewertet. Situationen, in denen jeder auf sich gestellt ist, erweisen sich als peinliche Momente. Gut beobachtet sind die gestischen Floskeln, mit denen versucht wird, die eigene Unsicherheit zu überspielen, sich ja keine Blöße zu geben. Hanna Hegenscheidt fragt offen nach den individuellen Verarbeitungs- und Verdrängungsmechanismen in einer Gesellschaft, die ihre Trauerrituale scheinbar erfolgreich in akkurat abgesteckten Friedhöfen und Leichenschmausgaststätten kanalisiert hat. ...
TAZ Berlin, 04.08.2006
Wenn wir tot sind, brauchen wir keine Heimat mehr. Aber was bedeutet der Tod eigentlich für das Leben, besonders in Zeiten, wo man den Tod lieber ganz und gar aus dem Blickfeld verbannen will. Dass es gerade der Tod ist, der das Leben so lebendig macht, ist die Arbeitsthese der Choreografin Hanna Hegenscheidt, deren neuer Theaterabend „Klaus ist tot“ genau um diese existentielle Nachtseite des Lebens kreist.